Abschlussklasse der Hauptschule Münchweier diskutiert mit dem Grünen-MdB über Lehrstellen, Hauptschule und Afghanistan
Dass ein Bundestagsabgeordneter sich gleich zweieinhalb Stunden Zeit fürs Gespräch mit Schülern nimmt, das gibt es nicht alle Tage — und für Hauptschüler noch weniger. Die Neunte der Hauptschule Münchweier hatte dieses Glück. Oder besser, sie waren hartnäckig genug. Auf der Berlin-Reise im vergangenen September zählte ein Kontakt vor Ort mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Alexander Bonde zum Programm. Doch Bonde musste kurzfristig passen. Am Dienstag war er dann da, in Münchweier, einen ganzen Vormittag lang und stellte sich den Fragen.
Seit dem verpassten Meeting in Berlin ließ die Klasse nicht locker. "Die Schüler wollten die Begegnung mit dem Grünen-Abgeordneten unbedingt. Sie schrieben Mails und bekamen positive Rückmeldung" , erklärte Klassenlehrer Sigmar Schuler. Dass gerade Hauptschüler dieses Interesse an einer Begegnung haben, war auch für Alexander Bonde eine neue Erfahrung. "Meist stehe ich vor Gymnasiasten" , sagt er. Aber am Dienstagmorgen stand er im Klassenzimmer der Neunten in Münchweier — in gewohntem Outfit: feiner dunkelgrauer Zwirn mit schwarzem Poloshirt und einem Hauch von Gel im Haar, begleitet von einem zwei Mann starken Mitarbeiterstab. Am Nachmittag standen noch Besuche in Redaktionen der lokalen Presse an, am Abend ein Vortrag vor Grünen in Kehl. "Der Vormittag gehört aber Ihnen" , war sein deutliches Signal an die Schüler.
Diese hatten sich und einiges für das Treffen vorbereitet. Die Präsentation der Schule beispielsweise. In ihrer vertrauten Umgebung nutzen die Neuntklässler, etwa im Technikraum, die Chance für freche Fragen, die Bonde einfach und knapp, manchmal auch weit ausholend beantwortete. Wie die Lehrstellensituation verbessert oder die Betriebe von der Politik animiert werden können, mehr Ausbildungsplätze für Hauptschüler anzubieten? Bisher haben erst drei von 17 Neuntklässlern der Schule eine Ausbildungsvertrag in der Tasche.
Klassensprecher Julian Schwarz holte den Abgeordneten im Handumdrehen auch zur Tagespolitik zurück. Was denn nun in Hamburg passiere, wollte er wissen. Die Antwort von Bonde kam prompt und doch in der den Politikern eigenen Unverbindlichkeit. Es gebe da in drei Kernfragen unterschiedliche Auffassungen mit der CDU, Schwarz-Grün sei nicht das Wunschmodell, und "ich würde keine Wette eingehen, dass auch Schwarz-Grün rauskommt" .
Für jeden Besucher in Münchweier Pflicht: das Schwimmbad. Der Ort, an dem einst Schülerinnen und Schüler ihren ersten Schwimmunterricht bekamen, ist zu einer Art Aula umfunktioniert worden — und seit 1991 auch Theater- und Medienwerkstatt. Aus berufenem Schülermunde wird dem Gast die Technik erklärt und bedeutet, dass die Medienwerkstatt nicht nur Spielwiese für Computer-und Technikfreaks ist, sie ist auch Bindeglied zu Vereinen und Firmen. Ihre Kenntnisse in Medientechnologie nutzen die Schüler inzwischen auch aus, um Vereine bei Festen mit richtiger Beschallung zu bedienen oder bei Familien- oder Firmenfesten für die richtige Musik oder die gewünschte Disco-Beleuchtung zu sorgen.
Dass die Theater-AG "Selbstgemachtes und regional bezogene Themen" auf die Bühne bringt, wird Bonde mit einer Videoshow aus einer Aufführung von 1996 demonstriert. "Schwein gehabt" , so der Titel des Stücks, das Krieg und Leid im Münstertal zum Thema hatte.
Der musik- und bildgewaltige Schlusspunkt der Führung war zugleich das Signal für ein ebenso ernstes Diskussionsthema im Klassenzimmer: Afghanistan und die Rolle der Bundeswehr am Hindukusch. Zu Apfelsaft von Münchweierer Streuobstwiesen und selbst gemachtem herzhaften Blätterteiggebäck erwarteten die Neuntklässler Antworten auf Fragen wie: Wie passt es zusammen, dass der Kriegsdienstverweigerer Bonde hinter dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan steht? Was die Bundesrepublik gegen die Drogenbarone und ihren Einfluss auf die Kleinbauern im Land tut? Warum der Kampf gegen den internationalen Terrorismus schon in Afghanistan beginnt? Wieso die Grünen einen Bundeswehreinsatz im Norden des Landes unterstützen, den im Süden aber ablehnen?
Bonde blieb keine Antwort schuldig, entschuldigte sich aber zugleich, dass sie länger gerieten, als sich das die Neuntklässler wünschten. Nichts ist halt so kompliziert wie Politik, und einfache Erklärungen hatte auch der Grüne für die Münchweierer Schüler nicht zu bieten.
Zu guter Letzt geriet die Antwort auf eine Frage doch kurz und knapp. Wie der Grünen reise, wollte Carlos Kienzel wissen. Bonde: Nach Berlin meist mit der Bahn und im Wahlkreis mit einem Hybridfahrzeug einer japanischen Marke. Das verbrauche nicht viel mehr als vier Liter Treibstoff. Und manchmal reise er doch mit dem Klimakiller Flugzeug, gestand er.